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Fritsche und seine frischen Fische

von ESC-Planegg

Der kleine See bei Königsdorf liegt still in der spärlichen Dezembersonne. So angestrengt Matthias Fritsche die Oberfläche des Gewässers absucht, er kann kein Lebenszeichen erkennen. „Sie bewegen sich kaum“, sagt der Trainer des ESC Planegg und meint damit nicht seine Pinguine, sondern seine 15 dicken Karpfen. Die befinden sich in der kalten Jahreszeit längst im Ruhemodus und auf Tauchstation, was auch angeraten erscheint. In den Tagen vor Weihnachten sucht das große Sterben vor allem ihre beklagenswerten Artgenossen in Franken und in der Oberpfalz heim. Hunderttausende von ihnen landen in den deutschen Kochtöpfen und Bratpfannen. Fritsches Fische bleibt dieses grausame Schicksal jedoch erspart. „Sie haben Weihnachten nichts zu befürchten“, versichert er treuherzig.

Das ist kaum zu glauben. Der Coach der Planegger Eishockeydamen mit der imposanten Statur eines ausgewachsenen Grizzlys ist normalerweise kein Kostverächter und liebt seine Karpfen. Aber zum Fressen gern hat er sie deshalb noch lange nicht. „Sie schmecken mir nicht so“, gesteht der Gourmet, der am 28. Dezember seinen 34. Geburtstag feiert.

Als er sich die Tiere vor drei Jahren angeschafft hat, konnte er seinem Appetit auf die vermeintlichen Leckerbissen nicht lange widerstehen und schlachtete gleich einen von ihnen. Seitdem hat er die anderen nicht mehr angerührt, obwohl sie sich prächtig entwickelt haben und mittlerweile um die vier Kilogramm wiegen. Die Feinschmecker mögen den reuigen Petrijünger in seinem Urteil bestätigen. Sie lassen keine gute Schuppe an „cyprinus carpio“, den schon die anspruchsvollen Römer aus der Donau angelten und auf ihre Speisekarte setzten.

Bei den verwöhnten Gourmets gilt der Dicke mit den melancholischen Augen als ausgesprochener Stinkstiefel. „Strohig“, „laff“, „muffig“, modrig“ lauten nur ein paar der wenig schmeichelhaften Attribute, mit denen sie den Geschmack des korpulenten Speisefisches beschreiben, der gut und gerne 40 Pfund und mehr auf die Waage bringen kann. Ihren schlechten Ruf haben die gemütlichen Gesellen der Angewohnheit zu verdanken, den Schlamm beim sogenannten Gründeln nach Essbarem zu durchstöbern. „Der Karpfen wird liebevoll auch Wasserschwein genannt“, doziert Fritsche.

Viele Fischliebhaber stößt diese Buddelei nicht im geringsten ab, weshalb die Nachfrage in den vergangenen Jahren sogar wieder gestiegen ist, nachdem der Genuss des Seeferkelchens lange als altbacken galt. Die neue Begeisterung liegt wohl kaum an dem Brauch, dass die Schuppe eines Weihnachtskarpfens im Portemonnaie Glück und Wohlstand im neuen Jahr garantieren soll. Selbst die ewig grantelnden Umweltapostel von Greenpeace empfehlen bedenkenlos seinen Verzehr. Paniert und gebraten oder blau serviert kommt er dann auf den Tisch. Nur seine 99 Gräten machen den Schmaus bisweilen zu einer leidigen Fieselei.

Einige Zeitgenossen holen sich den Mops sogar für ein paar Tage in ihr Badezimmer, bevor es ihm mit Hammer und Messer ans Eingemachte geht. „Ich kenne viele, die haben Weihnachten ihre Badewanne besetzt“, erzählt Fritsche mit einem gewissen Schmunzeln. Die Experten zweifeln an der Wirksamkeit des Nachschwimmens. Ein halbes Jahr müssten die Dreckspatzen schon in der Wanne ausnüchtern, um den Geruch von Schlamm und Morast zu verlieren. So lange verzichtet wohl niemand auf ein Bad.

Die Karpfen in Fritsches Teich führen dagegen ein Luxusleben, das gut 30 bis 40 Jahre währen kann. Bis auf den gierigen Fischreiher, der ab und zu vorbeischaut und nach fetter Beute späht, versetzt sie so gut wie nichts in Aufregung. Das Wasser ist frisch und klar, weil ihr Herr und Meister auch ein paar Forellen und Saiblinge als Mitbewohner angesiedelt hat. Die Arten unterscheiden sich nicht nur durch ihr Aussehen und ihre Größe, sondern auch durch ihren Charakter. „Karpfen sind ein bisschen schlauer“, hat Fritsche festgestellt. Anders als die Raubfische stürzen sie sich nicht gleich auf jedes Futter, sondern prüfen genau, was ihnen vorgesetzt wird, denn sie sind ein wenig verwöhnt und wählerisch. „Ja, wo bleiben meine Semmeln“, hört sie ihr Besitzer manchmal vor sich hinblubbern, wenn er im Frühjahr vom Bäcker kommt und ihnen die feinen Happen reicht.

Seine Vorliebe für die Flossenträger hat Fritsche bereits in seiner Kindheit entwickelt. Sein Vater Helmut nahm ihn und seinen Bruder Michael immer wieder mit zum Angeln an die Isar. Aus dem Hobby entwickelten die Brüder eine Leidenschaft. Inzwischen besitzen sie drei Teiche, die ihnen einige Arbeit bereiten. Das ganze Areal rund um die Gewässer will gehegt und gepflegt sein, damit vor allem die Forellen keinen Sauerstoffmangel leiden, um die sich eigentlich alles dreht. Und so bevölkern die kleinen Seen auch Weißfische, Muscheln und Krebse, die den Räubern als natürliche Nahrung dienen.

Die Schmuckstücke im Biotop sind jedoch die Störe, die sich Fritsche inzwischen angeschafft hat. „Das sind so richtige Urzeitfische“, raunt er voller Ehrfurcht vor den schlanken Jägern mit der Schnauze eines Schuhlöffels. Den begehrten Kaviar produzieren sie aber nicht. „Es sind nur Männchen“, lacht Fritsche in sich hinein. Die weiblichen Tiere kosten schließlich ein Vermögen.

Das ganze Frühjahr und den Sommer verbringt er in der Natur. Für viele Zeitgenossen wäre das wohl ein wenig zu eintönig, ständig auf das Wasser zu schauen und beim Aufsteigen von ein paar Luftblasen in Ekstase zu geraten. Aber für Fritsche kommt die Zeit in der Einsamkeit einer Seelenmassage gleich. „Das ist, als ob man ein Lagerfeuer anschaut“, schwärmt er.

So viel Sensibilität traut man dem gestandenen Mannsbild auf den ersten Blick nicht zu. Der Kraftprotz hat Football bei den Starnberg Argonauts gespielt, bis er sich die Schulter so schwer verletzte, dass ihm die Ärzte von weiteren Einsätzen abrieten. Und auch im Winter mag er es hart und kantig. Eishockey heißt seine zweite Leidenschaft. Da er selbst nicht mehr spielen kann, trainiert er mittlerweile nur noch. Beim ESC Planegg erfreut sich der sanfte Gemütsmensch großer Beliebtheit. Seit er den Job beim deutschen Rekordmeister im August übernahm, spielen die Pinguine wieder mit mehr Selbstvertrauen. Die Ruhe und Gelassenheit, die er ausstrahlt, tankt er an seinen Teichen. „Ich kann dabei richtig entspannen“, sagt er.

Diese Lebensquelle bleibt niemandem verschlossen. Als er noch die Damen der Geretsried River Rats trainierte, besuchten sie ihn hin und wieder in seiner Einsiedelei und labten sich an seinen frischen Spezialitäten. Auch die Pinguine sind schon eingeladen, aber erst im Frühjahr, wenn das Leben in seiner kleinen Welt wieder richtig erwacht.

Erst im März oder April beginnt für ihn die Freilandsaison. Traditionell an Gründonnerstag geht es seinen Forellen dann doch an die Kiemen, will heißen an den Kragen, denn allein vom kontemplativen Betrachten wird Fitsche nicht satt. Vor allem geräuchert schmecken ihm seine Fische. Viel ist nach einem langen Herbst von den Vorräten nicht mehr übrig geblieben, obwohl er jedes Jahr 200 Jungfische in seinen Teichen neu einsetzt. Weshalb zu Weihnachten auch keine Forellen oder Saiblinge auf den Tisch kommen. Zum Essen geht es traditionell zu seiner Mutter, die am Heiligen Abend Gans oder Ente auftischt. Etwas, das schwimmt, muss es bei den Fritsches ja sein.

Eishockeytrainer und Fischliebhaber: Matthias Fritsche, Coach des ESC Planegg, mit einem Stör aus einem seiner Teiche

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